Jan 03, 2024
Die deutsche Regierung befindet sich inmitten der Kontroverse um ein Kesselverbot in einer Krise
Von Nikolaus J. Kurmayer | EURACTIV.com 22.03.2023
Von Nikolaus J. Kurmayer | EURACTIV.com
22.03.2023 (aktualisiert: 23.03.2023)
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Die Weitergabe des Entwurfs an Bild habe die Gespräche innerhalb der Regierung zur Schaffung von Einigkeit in Fragen wie der Finanzierung „zerstört“, fügte Habeck hinzu. „Das geschah wahrscheinlich bewusst, um sich einen billigen taktischen Vorteil zu verschaffen“, erklärte er. [EPA-EFE/Andre Borges]
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Das beispiellose Durchsickern eines Gesetzesentwurfs, der ab 2024 neue fossile Heizgeräte in Deutschland verbieten soll, sorgt auf höchster Regierungsebene für Unruhe und erschwert die Durchsetzung des Gesetzesentwurfs.
Derzeit werden in Deutschland 20 Millionen Haushalte mit Gas beheizt, dazu kommen 10 Millionen Öl- und Kohleheizungen. Im Jahr 2022 haben die Deutschen rund 600.000 Gaskessel installiert, was den deutschen Bausektor zu einem der größten Nachzügler beim Klimaschutz macht, da er mehrere Jahresziele verfehlt hat.
Um bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen und dem nahezu vollständigen Stopp der russischen Gaslieferungen zu begegnen, hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr zugestimmt, die Installation neuer fossiler Heizgeräte ab 2024 zu verbieten. Künftig dürfen nur noch Geräte verwendet werden, die zu 65 % mit erneuerbarer Energie betrieben werden.
Schätzungen der Regierung zufolge soll die Maßnahme dazu beitragen, dass Deutschland bis zum Jahr 2030 rund 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente an Emissionen einspart.
Doch als Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck versuchte, das De-facto-Verbot in ein Gesetz umzusetzen, herrschte in Berlin schnell Unfrieden.
Am 1. März veröffentlichte Deutschlands meistverkaufte Boulevardzeitung Bild einen Artikel mit dem Titel „Habeck will Gas- und Ölheizungen verbieten“, basierend auf einem Gesetzesentwurf, der der Zeitung vorliegt. „Wie der Heizungshammer DICH trifft“, heißt es in dem Artikel, der die Opposition gegen das Gesetz anheizt, die von Hauseigentümergemeinschaften und der liberalen FDP angeführt wird, die Mitglied der regierenden Drei-Parteien-Koalition in Deutschland ist.
Das Leck, eine Abkehr von der Regierungspolitik, hat offenbar zu erheblichen Vertrauensproblemen in der Regierung geführt.
„Der Entwurf wurde Bild zugespielt, was meiner Meinung nach absichtlich geschah, um das Vertrauen innerhalb der Regierung zu schädigen“, sagte Habeck am Dienstagabend in der ARD.
Bevor ein Gesetzesentwurf überhaupt in das formelle Abstimmungsverfahren mit anderen Ministerien gelangt, verteilt die Bundesregierung ihn intern, um eventuelle Probleme zu vermeiden. Bisher sei diese Phase wasserdicht verlaufen, stellte der Vizekanzler fest.
Die Weitergabe des Entwurfs an Bild habe die Gespräche innerhalb der Regierung zur Schaffung von Einigkeit in Fragen wie der Finanzierung „zerstört“, fügte Habeck hinzu. „Dies geschah wahrscheinlich absichtlich, um sich einen billigen taktischen Vorteil zu verschaffen“, sagte er.
Absichtliche Leaks seien „kein Zufall“, stellte Habeck fest. „Deshalb bin ich etwas beunruhigt, ob es überhaupt einen Willen zu einer Einigung zum Kesselverbot gibt.“
Die Bundesregierung ist eine Koalition aus der sozialdemokratischen FDP, den Grünen und der wirtschaftsfreundlichen FDP. Weniger als zwei Jahre nach Beginn seiner Amtszeit scheint es tief in internen Machtkämpfen zu stecken.
Wolfgang Kubicki, stellvertretender Vorsitzender der FDP, verglich Habeck zuvor mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die beiden seien „gleich davon überzeugt, dass der Staat, der Führer, der Auserwählte besser als das Volk weiß, was gut für sie ist“, sagte Kubicki. Er hat sich inzwischen für die Aussage entschuldigt.
Die Grünen-Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sagte dem Tagesspiegel, dass „so kein Umgang unter demokratischen Parteien und schon gar nicht unter Koalitionspartnern“ sei.
Andere versuchten, die Spannungen in der Regierung zu beruhigen.
„Der öffentliche Streit der letzten Tage, die gegenseitigen Schuldzuweisungen, das ist jetzt nicht das, was wir brauchen, um das Land voranzubringen“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der ARD und der Rheinischen Post. „Daran wird sich diese Koalition am Ende messen lassen“, betonte er.
Ein Gesetzesentwurf, der den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen ab dem nächsten Jahr verbieten soll, hat in Deutschland Empörung ausgelöst und die anhaltenden Machtkämpfe zwischen Grünen und Liberalen in Berlin angeheizt.
Die nächsten Bundestagswahlen scheinen in den Köpfen der Spitzenpolitiker der Regierung bereits eine große Rolle zu spielen. Habeck sagte, das Kesselverbot dürfe aufgrund der bevorstehenden Wahlen, die am 26. Oktober 2025 stattfinden sollen, nicht aufgeschoben werden.
„Wir haben die Bundestagswahl im Jahr 2025. Es wäre sehr naiv zu glauben, dass ein solches [umstrittenes] Gesetz in einem Wahljahr verabschiedet wird“, betonte der Grünen-Politiker.
Mehr als ein Jahr später befeuern die Umfragewerte der Regierung die Machtkämpfe weiterhin. Während die SPD scheinbar stabil bei über 20 % liegt und damit 3–5 % unter ihrem Ergebnis von 2021 liegt, kämpft die FDP darum, über 5 % zu bleiben, verglichen mit ihrem Ergebnis von 11,5 % im Jahr 2021.
Als die Grünen, die monatelang bei rund 20 % lagen – über ihrem Ergebnis von 14,8 % im Jahr 2021 – unter 10 % zu fallen begannen, folgte schnell Spott seitens der Regierungspartner.
„Ihre schwindende Bedeutung kompensieren sie mit sinnlosem Geschwätz“, sagte Kubicki am Sonntag dem Tagesspiegel.
Die deutsche Regierung scheint erneut in einer tiefen Krise zu stecken. Vom Schicksal des Verbrennungsmotors bis zum Bau neuer Autobahnen ist Berlin voller Machtkämpfe. Ein neuer Stil, nennen wir ihn Ockerpolitik, könnte angebracht sein.
Am kommenden Sonntag (27. März) soll sich die Regierungsspitze treffen, um die Dinge zu bereinigen. Das Format, das „Koalitionskomitee“, versammelt Parteiführer und Spitzenminister.
„Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren und uns noch einmal bewusst machen, was für ein Privileg es ist, in dieser Regierung zu sein“, betonte Habeck im Vorfeld des Treffens.
Sollte ein Konsens zum Klimaschutz gefunden werden, werden voraussichtlich mehrere wichtige Gesetze in den Gesetzgebungsprozess gelangen. „Sie werden sehen, dass wir in den nächsten Wochen Dutzende Gesetze verabschieden werden, denn sie sind alle bereits geschrieben“, betonte er.
Einige Gesetze, wie etwa das Energieeffizienzgesetz, stecken seit fast einem Jahr im innerstaatlichen Abstimmungsprozess fest. Eine Intervention von Bundeskanzler Olaf Scholz Ende 2022 zur Beschleunigung des Prozesses blieb scheinbar wirkungslos.
Weitere umstrittene Themen sind die Rolle des Staates bei Energieversorgern wie Uniper oder SEFE, ehemals Gazprom Germania, sowie Pläne der EU, die Sanierungsraten durch die Festlegung von Mindeststandards zu erhöhen.
Laut Dokumenten, die EURACTIV eingesehen hat, treibt Deutschland sein eigenes Energieeinspargesetz voran, während in Brüssel derzeit über die Flaggschiff-Energieeffizienzrichtlinie (EED) der EU verhandelt wird.
[Herausgegeben von Nathalie Weatherald und Frédéric Simon]
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Das beispiellose Durchsickern eines Gesetzesentwurfs, der ab 2024 neue fossile Heizgeräte in Deutschland verbieten soll, sorgt auf höchster Regierungsebene für Unruhe und erschwert die Durchsetzung des Gesetzesentwurfs.